Pressemeldung vom 22.06.2007

 

Mit Urteil zum Kindergeldrecht vom 20. März 2007, Az.: 2 K 1980/06 hat sich das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz zu der Frage geäußert, ob für volljährige Pflegekinder Kindergeld gewährt werden kann.

Im Streitfall hatte die Klägerin, die Tante des volljährigen Kindes S., Kindergeld beantragt und das damit begründet, sie habe S. ab April 2006 in ihren Haushalt aufgenommen, weil S. sonst obdachlos geworden wäre; sie nehme S. bis zum Erwerb eines Hauptschulabschlusses bei sich auf. Dieser Antrag wurde von der Familienkasse abgelehnt, was damit begründet wurde, dass S. zu ihr nicht durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden wäre. S. sei bereits volljährig und halte sich nur vorübergehend bei ihr im Haushalt auf.

Mit der Klage machte die Klägerin geltend, S. sei aufgrund seines ausgeprägten ADS – und Tourette-Syndroms als behindert anzusehen und auf ihre Hilfe angewiesen, was durch ein fachärztliches Attest bestätigt werde. Für S. bestehe aufgrund der (früheren) zerrütteten Familienverhältnisse eine deutliche Entwicklungsverzögerung. Der Facharzt habe bestätigt, dass S. nicht die notwendige geistige Reife erreicht habe, die seinem Alter entspreche, so dass er die durchgehende kontinuierliche Unterstützung durch Familienangehörige benötige. Die Klage war erfolgreich.

Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, unter den derzeit gegebenen Umständen der Haushaltsaufnahme des S. in die Wohnung der Klägerin bestehe ein Anspruch auf Kindergeld. Soweit die Familienkasse darauf abstelle, dass ein familienähnliches Band wie zwischen Kindern und leiblichen Eltern bestehen müsse, bei volljährigen Personen sei auch in Fällen der Haushaltsaufnahme wegen Fehlen eines familienähnlichen Bandes zwischen Steuerpflichtigem und dem Kind ein Pflegekindschaftsverhältnis nicht mehr gegeben, sei diese Annahme zwar grundsätzlich richtig. Die einschränkende Auslegung des Pflegekindbegriffs bei Volljährigen werde damit begründet, dass die körperliche Versorgung und Erziehung des Pflegekindes, die Voraussetzung für die Annahme eines familienähnlichen Bandes sei, bei einem gesunden Volljährigem in der Regel keine Rolle mehr spiele. Jedoch sei aufgrund der besonderen Umstände des Falles auch von der Begründung eines Obhuts – und Pflegeverhältnisses zwischen der Klägerin und S. auszugehen. S. sei krankheitsbedingt trotz seiner Volljährigkeit nicht in der Lage gewesen, ohne fremde Hilfe seine Angelegenheiten im Bereich der Lebensführung bei Ausbildung und Unterkunft wahrzunehmen. Hieran hätten ihn die mit seiner Krankheit einhergehenden Symptome gehindert. Daher erbringe die Klägerin wegen einer insoweit gegebenen Hilflosigkeit des Kindes Betreuungs- und Erziehungsleistungen. Dass Ursache für die Betreuungsbedürftigkeit eine Erkrankung sei, lasse die neuro-logische Begutachtung erkennen. S. werde eine Entwicklungsverzögerung bescheinigt, die nach Auffassung des Gerichts geeignet sei, S. persönliche Entwicklung mit der eines Kindes gleichzustellen, zu dem aufgrund seines Alters auch mit der Tante noch ein Pflegekindschaftsverhältnis begründet werden könne.

Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig geworden.

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