Pressemeldung vom 01.02.2007

Mit Urteil zur Einkommensteuer 2002 vom 16. Januar 2007 (Az.: 2 K 1047/05) hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz zu der Frage Stellung genommen, ob Aufwendungen für Abschirmmaßnahmen an einem Haus gegen Mobilfunkstrahlen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.

Im Streitfall geht es um Aufwendungen für Abschirmmaßnahmen gegen eine Mobilfunkanlage in Höhe von rd. 38.500.- €, die die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung 2002 bei den außergewöhnlichen Belastungen geltend gemacht hatte.

Die an MCS (Multiple Chemical Sensitivity) erkrankte und deswegen zu einem Grad von 70% behinderte Klägerin hatte zunächst vergeblich rechtliche Schritte zur Verhinderung einer Mobilfunkanlage unternommen. Nachdem im Jahre 2002 in der Nähe ihres Wohnhauses (ca. 70m Entfernung) die Mobilfunkanlage in Betrieb gegangen war und sie und ihre Familie das sofort heftig gespürt hätten (Magen-Darm-Probleme, Schlafstörungen und Kopfschmerzen etc), wurde ein Baubiologe und Umweltanalytiker mit Messungen beauftragt.  Auf der Basis eines baubiologischen Gutachtens wurden dann professionelle Abschirmmaßnahmen am Hause durchgeführt. Nach Beendigung der Arbeiten sei der technische Erfolg der Abschirmmaßnahmen in einer erneuten baubiologischen Messung festgehalten worden. Der Antrag auf steuerliche Berücksichtigung bei den außergewöhnlichen Belastungen wurde u.a. unter Vorlage eines Gutachtens der Hausärztin damit begründet, dass die Klägerin unter MCS – einer weit über das normale Maß hinausgehenden Empfindlichkeit gegenüber externen Einflüssen – leide und dass es bei ihr zu einer Blutdruckkrise und einer akuten Bindehautentzündung mit externer Ursache gekommen sei, nachdem in der Nähe ihres Wohnhauses ein Funkmast in Betrieb genommen worden sei. Das vom Finanzamt eingeschaltete Gesundheitsamt kam u.a. zu der Ansicht, dass bei der Einhaltung der geltenden Grenzwerte nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz keine gesundheitlichen Gefahren zu befürchten seien. Später schaltete das Finanzamt das Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht zu der Frage ein, ob die Abschirmmaßnahmen aufgrund der Erkrankung der Klägerin notwendig und angemessen gewesen seien. Nach der Messung in der Umgebung des Hauses der Klägerin konnte ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung der von der Klägerin geschilderten Art und elektromagnetischen Feldern nicht nachgewiesen werden. Im Einkommensteuerbescheid 2002 berücksichtigte der Beklagte den Betrag von rd. 38.500.- € nicht bei den außergewöhnlichen Belastungen. In dem umfangreichen weiteren Verfahren bei dem Finanzamt, in dem die Klägerin u.a. vorgetragen hatte, wegen ihrer polyvalenten Allergie reagiere sie mit schwerwiegenden sogar lebensbedrohenden Störungen, auch wenn die Grenzwerte in ihrem Haus nicht überschritten würden, wurde das Gesundheitsamt erneut um eine Stellungnahme gebeten. Es führte u.a. aus, das typische Beschwerdebild von MCS Patienten und die Tatsache, dass MCS-Beschwerden nur durch chemische Einflüsse ausgelöst würden, ließen im Falle der Klägerin einen Zusammenhang mit den ausschließlich physikalischen Einflüssen durch die Funkantenne nicht erkennen, es gäbe auch die international formulierte Hypothese, wonach schon der Stress durch die Besorgnis einer Gefahr zu körperlichen Beschwerden führe (Nocebo-Effekt). Auch in einem solchen Falle könne eine Abschirmaßnahme zu einer Linderung führen, ohne dass eine Notwendigkeit im Sinne eines Strahlenschutzes bestanden hätte.

Die vor dem FG Rheinland-Pfalz angestrengte Klage hatte keinen Erfolg. Das FG führte u.a. aus, nach der neueren Rechtsprechung des BFH seien Aufwendungen im Zusammenhang mit einer MCS-Erkrankung nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige seine Beschwerden nicht durch ein amtsärztliches Gutachten nachweise. Gerade wegen der im Streitfall bestehenden und zwischen den Beteiligten nicht streitigen Schwierigkeiten bei der Feststellung der Ursächlichkeit sei der Nachweis in dieser qualifizierten Weise zu führen unerlässlich, um die Inanspruchnahme ungerechtfertigter Steuervorteile zu Lasten der Allgemeinheit zu verhindern. Diesen Nachweis habe die Klägerin nicht geführt. Die Bedenken der Klägerin, ein Amtsarzt sei nicht einschlägig spezialisiert, würden nicht durchgreifen, denn der eingeschaltete Amtsarzt könne sich ggf. durch Nachfrage bei anderen Stellen ein eigenes medizinisches Urteil bilden. Der Senat gehe in diesem Zusammenhang, solange keine gegenteiligen wissenschaftlich gesicherten aktuellen Erkenntnisse vorlägen, mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung von BGH und BVerfG davon aus, dass bei Einhaltung der Grenzwerte der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes eine Gesundheitsgefährdung durch Mobilfunkwellen nicht unterstellt werden könne. Die weitergehenden Beweisanträge der Klägerin wurden abgelehnt, da der Senat keinen Anlass sah, den Amtsarzt erneut zu bemühen, eine amtsärztliche Stellungnahme liege bereits vor. Außerdem fehle es an der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen i.S. einer außergewöhnlichen Belastung. Die Klägerin habe nämlich selbst vorgetragen, trotz der Reduktion der Strahlenbelastung sei ihr ein völlig beschwerdefreies Leben nicht möglich gewesen; deswegen sei sie im September 2003 aus dem Haus ausgezogen und habe eine neue Wohnung bezogen. Daraus folgerte das FG Rheinland-Pfalz, dass bereits zu Beginn der Abschirmmaßnahmen klar gewesen sei, dass eine Abschirmung des gesamten Anwesens – also auch der Außenflächen – nicht möglich gewesen sei. Aus der Sicht der Klägerin seien damit die Aufwendungen im Ergebnis von vorneherein nicht sinnvoll und damit nicht notwendig gewesen, weil sie die gewünschte Nutzung des gesamten Anwesens nicht hätten ermöglichen können.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 

 

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