Mit Urteil vom 23. Februar 2021 (3 K 1311/19) hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass die Ortsgemeinde Mörsdorf die in den Baukosten für die Errichtung der Hängeseilbrücke Geierlay und des Besucherzentrums enthaltene Umsatzsteuer (= Vorsteuer) von der Umsatzsteuer abziehen kann, die die Gemeinde wegen der Einnahmen aus dem dafür errichteten Parkplatz an das Finanzamt abzuführen hat.
Die Ortsgemeinde Mörsdorf hatte unter Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel eine Hängeseilbrücke als touristischen Anziehungspunkt in der Gemeinde errichtet. Die Inanspruchnahme der Fördermittel schloss die Erhebung eines "Eintrittsgeldes" für die Begehung der Brücke aus. Dennoch erzielte die Gemeinde erhebliche Einnahmen mit gebührenpflichtigen Parkplätzen, welche sie den Besuchern der Hängeseilbrücke bereitstellte, da sie in der Ortsgemeinde kostenfreies Parken nur noch den Anwohnern erlaubte. Für die Parkgebühren musste die Gemeinde Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Bei der Berechnung der abzuführenden Umsatzsteuer zog die Gemeinde die Umsatzsteuer (= Vorsteuer) ab, die sie selbst als Teil der Kosten für die Errichtung der Parkplätze, der Hängeseilbrücke und des Besucherzentrums hat zahlen müssen.
Das beklagte Finanzamt ließ nur für die Baukosten des Parkplatzes den Vorsteuerabzug zu, weil die Aufwendungen für die Hängeseilbrücke und das Besucherzentrum nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Einnahmen aus den Parkplätzen stünden und weil die Brücke eine dem Allgemeingebrauch gewidmete Straße sei.
Das Gericht sah einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Eingangsumsätzen zur Errichtung der Hängeseilbrücke und den Ausgangsumsätzen durch Erhebung der Parkgebühren aber als gegeben an. In der abgelegenen Hunsrückgemeinde habe es vor Errichtung der Brücke an touristischen Anziehungspunkten gemangelt, welche Besucher hätten anlocken und zur Entrichtung von Parkgebühren hätten animieren können. Bei der Ortsbesichtigung habe sich bestätigt, dass das Konzept der Gemeinde schlüssig sei. Die Brücke sei ein beeindruckendes Bauwerk und nicht ein bloßer Spazier- oder Wanderweg. Sie sei trotz ausgesprochen schlechten Wetters von Besuchern aufgesucht worden, die sich dort selbst als sog. "Selfie" vor dem Hintergrund der Brücke fotografiert hätten. Darauf angesprochen, hätten die Besucher wie selbstverständlich mitgeteilt, dass sie einen gebührenpflichtigen Parkplatz genutzt hätten. Das FG sah Parallelen zu den vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschiedenen Streitfällen „Sveda“ und „Mitteldeutsche Hartstein-Industrie“ und gab dem Klagebegehren statt. Auch im Fall "Sveda" würden die Ausgangsumsätze nicht mit dem Weg selbst, sondern mit begleitenden Leistungen erzielt, und im Fall "Mitteldeutsche Hartstein-Industrie" werde der Vorsteuerabzug für Aufwendungen zur Errichtung einer dem Allgemeingebrauch gewidmeten Straße gewährt.
Gegen das Urteil des FG hat zwar jetzt die Finanzverwaltung Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt (anhängig unter dem Aktenzeichen XI R 10/21), weil sie der Auffassung ist, dass dem Allgemeingebrauch gewidmete Wege nicht dem unternehmerischen Bereich zugeordnet werde könnten. Nach der Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz handelt es sich bei der Hängeseilbrücke allerdings mittlerweile nicht mehr um einen Wanderweg, sondern um eine Freizeiteinrichtung.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz 11.05.2021 - 3 K 1311/19 -